Economic Engineering: Das Baukastenprinzip

30 Jun

MASCHINEN- UND ANLAGENBAU Das Baukasten-Prinzip bietet Lösungspotenzial für den nächsten Umbruch in der Produktion. Indem das Detail das Ganze und das Ganze das Detail in Auge hat, wird das System nachhaltig, flexibel und intelligent. Diese Tiefenschärfe muss anspruchsvoll erarbeitet werden, sie ist dann jedoch einfach in der Anwendung. Dies ist eine Denkweise, bei der sich Maschinenbau und Industriedesign punktgenau treffen. Von JÜRGEN R. SCHMID

Erfolg verlangt nach zielgerichteter Ästhetik. Die Maschine der Zukunft muss sich konsequent erarbeitet werden, ist Jürgen Schmid, geschäftsführender Gesellschafter von Design Tech, im Gespräch mit der Redaktion der Ansicht. Dabei gelte es, mit dem Design das vorgegebene Ziel vollständig zum Ausdruck zu bringen. Mit einer Workshop-Initiative treibt Schmid das Thema "Maschine 2020" aus Sicht des Industriedesigners voran. Schmidt meint dazu, dass für ihn alle Aspekte einer Maschine relevant sein können. Sind dies führe zwangsläufig auch zu Fragen rund um den Bestellmechanismus oder den Fertigungsprozess. Design fange ja nicht bei der Ästhetik an, sondern höre bei ihr auf. Die eigentliche Arbeit des Designs finde viel früher statt, nämlich bei den Rahmenbedingungen, die die Ausprägung der Ästhetik bedingen. Bilder: Design Tech Foto: Design Tech
Foto: Design Tech

Die Maschine im Jahr 2020 — gewiss ein Stück weit ein Blick in die Glaskugel. Dennoch: bestimmte Trends zeichnen sich bereits heute ab. Eine entsprechend strukturiert aufgebaute Maschine ist der ideale Ausgangspunkt für Produktionsnetzwerke, in denen Aufträge durch situatives Aggregieren von Funktionen erledigt werden. Nach dem Baukastenprinzip werden Anlagen schneller konfiguriert und in Betrieb genommen. Wartung, Reparatur und Retrofit: eine wohlportionierte Technik macht alles einfacher. Und das hat wiederum positive Auswirkungen auf die Lebenszykluskosten.
Baukasten der Zukunft Wer heute im Maschinenbau die Richtung vorgibt, kennt das Konzept der Modularität, dessen Ursprünge auf die 1970er Jahre zurückgehen. Der Begriff hat zwar keinen „Trend“-Appeal, trotzdem gehörte er beim Workshop „Maschine 2020„, den wir im Mai 2012 durchführten, wie ganz selbstverständlich zu den Diskussionen rund um das Maschinenkonzept der Zukunft. Modularität ist nach wie vor aktuell, weil sie ein Naturprinzip zu sein scheint. Jede Generation findet dabei zu ihrer eigenen Interpretation — und diese ist umso ausgefeilter, je mehr Gestaltungsspielraum neue Technologien bieten. Neue Automatisierungskonzepte, basierend auf den Einsichten von Mechatronik und einer explodierenden Rechnerleistung, haben die Möglichkeiten für Modularität im Maschinenbau um Lichtjahre über das Niveau der 1970er Jahre hinauskatapultiert. Der nächste Schub, ausgehend vom Potenzial des Cloud Computings, wird bis aller Voraussicht nach bis zum Jahr 2020 stattgefunden haben. Der Modularitätsansatz greift bei sehr verschiedenen Aspekten der anstehenden Herausforderungen. Jürgen R. Schmid ist seit 1983 mit seinem Designbüro DT Design Tech in Ammerbuch bei Tübingen selbständig Schmid hat das Konzept „Design to Success“ entwickelt Ein Baukastensystem zwingt zu strukturiertem Vorgehen in der Entwicklung und schützt vor „Over-Engineering“. Die Module sind ein idealer Ausgangspunkt für eine klare Bedienkommunikation. Indem sie eine genau abgegrenzte Aufgabe oder Funktion erfüllen, kehren sie nach „außen“ große Klarheit und Einfachheit hervor — unabhängig davon, wie hochkomplex die Erfüllung dieser Aufgabe oder Funktion „innen“ tatsächlich sein mag. Was die Modularität im maßgeschneiderten Corporate Design angeht, spannt sich die Entwicklungslinie von der antiken Tempelfassade bis zu den jüngsten Gestaltungsvorschlägen für eine Massenfertigung, die sich der Individualität der Konsumenten immer mehr annähert. Auch die speziell von uns ausgebildeten „Success Designer“ gewinnen immer wirksamere Hebel für die Formulierung des modularen Prinzips: durch innovative Materialien und Herstelltechniken oder durch leistungsfähigere Software für Konstruktion und Visualisierung. Modularität startet im Maschinen-Design lange bevor es um Fragen der konkreten Ausgestaltung der Formgebung geht. Die Aufgabe wird auf ihre Grundfunktionen heruntergebrochen und dann wieder individuell so zusammengesetzt, dass die Lösung möglichst effektiv, effizient und für die Benutzung attraktiv ist — für den Auftraggeber des „Design to Success“ ebenso wie für die Kunden des Auftraggebers. Damit diese Annäherung an die Fragestellung gelingt, benötigt der Success Designer einen Beratungsweg, der zu den richtigen Kernfragen in exakter Formulierung führt. Eine gute Gestaltung ist präzise auf das Ziel hin ausgerichtet und verhilft dem Baukasten-Prinzip zu maximaler Wirkung.
Im Formangebot ist im Detail das Ganze mitgedacht. Zum Beispiel für die Service-Dimension: Für Kunden in den neuen Märkten müssen die Verschleißteile aus Materialien sein, die nicht nur in Europa kurzfristig beschafft werden können. Wenn das Maschinen-Design in einem additiven, offenen Formvokabular technologische Entwicklungen und Wachstum antizipiert, müssen die Module nicht bleiben, wie sie heute sind. Eine maßgeschneiderte, punktgenaue Gestaltung kann die Idee des Baukastens kommunizieren, sodass dem Gehäuse eine visuelle Anleitung zur Anlagen-Konfiguration eingeschrieben ist.
Einige dieser Aspekte, die im Workshop „Maschine 2020“ thematisiert wurden, sind in den hier gezeigten Abbildungen zu sehen. Vieles davon kann Wirklichkeit werden, wenn auch manches erst nach dem Jahr 2020, wie die Teilnehmer der Veranstaltung betonten. Die Einzelmaschine stellt der Maschinenbauer per Konfigurator individuell für seinen Kunden zusammen. Die Module bestehen aus recycelbaren, intelligenten Textilien und Leichtbaumaterialien. Die Verkleidung ist Teil des Baukastensystems. An ihrem Bestimmungsort in der Produktionsanlage des Kunden werden die Einzelmaschinen über eine Fördereinrichtung mit einzeln steuerbaren Fördercontainern (für Werkstücke und Späne) verbunden. Die Bearbeitungseinheiten und die Container rüsten sich selbsttätig um.
Es ist keine zusätzliche Abschirmung erforderlich, weil die Maschinenfront den Bediener von der Bearbeitung trennt. Mit Eingabe der Daten des Fertigungsauftrags läuft die Produktion in der Maschinen-Cloud selbsttätig ab. Der Maschinenpark organisiert sich selbst. Die Anlage ist mit Redundanz ausgestattet; beschädigte Module werden automatisch erkannt und über die Fördereinrichtung ausgetauscht. Für zusätzliche Funktionen fragt der Kunde beim Maschinenbauer neue Module an, die innerhalb von 24 Stunden geliefert werden können. Die Maschine in sieben Jahren: Ende Mai vergangenen Jahres veranstalteten das Designbüro Design Tech und das Landesnetz-werk Mechatronik e.V. in Stuttgart gemeinsam einen Innovationsworkshop zum Thema „Maschine 2020.com„. Dabei ging es um Fragen wie: Welche erfolgsorientierten evolutionären oder revolutionären Schritte wird es in der Maschinenbaubranche zukünftig geben? Die Diskussion wurde unabhängig von einer bestimmten Anwendung branchenübergreifend geführt. Unter anderem nahmen Vertreter von Aradex, Festo, KBA und Schnaithmann teil. Eine zusammenfassende Dokumentation kann angefordert werden. Noch in diesem Jahr starten Design Tech und das Landesnetzwerk Mechatronik eine Vortragsreihe zu diesem Thema. Die Termine sind ebenfalls unter dem angegebenen E-Mail-Kontakt zu erfragen. info@designtech.eu

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